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     Wie "Lebendig-Sein" gelingen kann -

     Resonanz in Supervision und Coaching




Was kann in anstrengenden, angestrengten Zeiten hilfreich sein? Worauf ist in Kontakt und Begegnung zu achten, um mich danach „bereichert“ zu fühlen? Wie sind Prozesse über meine persönlichen Bedürfnisse hinaus zu gestalten, damit sie als gewinnbringend und zuträglich empfunden werden? 


Große Fragen. Und zugleich wichtige, immer wieder neu zu stellende Fragen – denn die Erinnerung daran, mehr noch die Einübung und das Einlassen auf die Antworten können den Unterschied ausmachen. Sowohl im Leben an sich als auch in etablierten Beratungsformaten. 


Anlässlich des Frühjahrstreffens der Kolleg*innen des Netzwerks Supervision & Coaching haben wir uns diesem Fragenkomplex mithilfe der Thesen des Soziologen Hartmut Rosa gestellt. In Zeiten „erschöpfter Menschen“ und „erschöpfter Organisationen“ (IPOS-Newsletter April 21) wollten wir uns guttuende Impulse im Sinne einer „Gegenkraft“ vergegenwärtigen. 


Mit der Überschrift „Lebendigkeit durch Resonanz, Unverfügbarkeit und soziale Interaktion“ haben wir uns den Überlegungen und Begrifflichkeiten Hartmut Rosas genähert. So führt Rosa in seinem Buch „Unverfügbarkeit“ (2018) aus „Der moderne Mensch versucht die Welt ‚verfügbar‘ zu machen, wobei sie droht, uns stumm und fremd zu werden“ und stellt seinen Gegenentwurf dazu vor: „in ‚Resonanz‘ zur Welt zu treten, jenseits von Funktionalität und Effizienz; ‚Lebendigkeit‘ entsteht nur aus der Akzeptanz des Unverfügbaren.“ 


Seine Definition der jedem Menschen gegebenen Resonanzfähigkeit hat mit Berührt-werden zu tun, mit dem Erleben von Selbstwirksamkeit, der Anverwandlung (sinngemäß ‚Übersetzung‘ in den ‚eigenen Kontext‘ dessen womit ich in Resonanz bin) und hat mit dem Unverfügbaren zu tun. Weiter spricht er von einer Haltung des Hörens und Antwortens als auch davon, das Gegenteil der Resonanz sei die Entfremdung, was u. a. die Zunahme innerer und äußerer Kämpfe des Menschen erkläre. Nicht zuletzt: Resonanz ist nicht machbar


Bereits hier, bei dieser holzschnittartigen Darstellung der Thesen Hartmut Rosas, gilt die Einladung: Welche Erkenntnisse, Einsichten, Widersprüche und Fragen zeigen sich, welche Perspektive möchte ich (als Leser*in) dazu einnehmen? Welche Neugierde wird ausgelöst? 


Beratungskolleg*innen reflektierten ihre Wahrnehmungen zum Gehörten erfreulich divers mit Blick auf die Beratungsformate Supervision und Coaching (Zitate aus Notizen der Kleingruppenarbeit): 


  • Resonanz als Berührbarkeit - Momente, wenn etwas klar wird, sind zu sehen 
  • Unverfügbarkeit nicht zu akzeptieren, führt letztlich ins Burnout 
  • Ist nichts Neues - in dieser Haltung sind wir alle ausgebildet worden - oder?! 
  • Unterschiedlichkeiten aushalten können - dafür bietet Supervision einen Raum
  • Dieser Resonanzmodus im Sinne Rosas ist nicht nur kompatibel, sondern unseres Erachtens sogar unabdingbare Voraussetzung für supervisorisches Arbeiten
  • Neuer Wein in alten Schläuchen! 
  • Resonanzerfahrung erhöht das Gefühl der Selbstwirksamkeit 
  • Supervision (als Format) bietet (im Prinzip) einen besonderen Raum, der schon von den Rahmenbedingungen her für "Resonanzen" besonders förderlich ist 
  • (…) nicht unterschätzen, welche Systemkritik auch darin steckt: Z. B. Beratungsformen etwa zum Zweck der unkritischen (Selbst-)"Optimierung" sind damit allemal nicht gemeint! 


Ich finde das ermutigend! Neben der Freude, sich mit sinnhaften Themen für sinnvolle Fragen in der Arbeitswelt zu beschäftigen, steht das Gefühl der Verbundenheit mit vielen Kolleg*innen: uns auf eine lebendige Weise austauschen zu können – ja, mit diversen Momenten von Resonanz! 


Georg Grillenmeier, Leitung Fachstelle Supervision