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   Mix it! Mobiles Arbeiten und Zeiten der Präsenz





Nachdem in der Ausnahmesituation des letzten Jahres in vielen Organisationen innerhalb kürzester Zeit die Arbeit im Home Office ermöglicht wurde, hat nun das große Suchen nach einer dauerhaft tragfähigen Form der Büroarbeit begonnen: Unzähligen Einrichtungen und Betriebe fragen sich derzeit, wie sie das mobile Arbeiten und das reguläre Arbeiten vor Ort dauerhaft gut kombinieren können. Die Erfahrungen der Pandemie haben mobiles Arbeiten zu einer Selbstverständlichkeit gemacht (in den Bereichen, in denen es grundsätzlich möglich ist). Gleichzeitig hat sich auch gezeigt, dass es vielen Menschen und Organisationen ganz ohne Zeiten der Präsenz nicht gut geht. Wie genau die richtige Mischung aus stationärer und mobiler Arbeit aussieht, lässt sich pauschal nicht sagen, zu unterschiedlich sind die Situationen und Anforderungen.


Von allein wird sich aber in den wenigsten Organisationen der optimale Weg finden – zu oft sind widerstreitende Interessen im Spiel. Bei der Suche nach der für die eigene Organisation passenden Form kann die folgende Übersicht helfen. Diese vier Landmarken zum mobilen Arbeiten erleichtern die Orientierung in einem weiten Feld mit zahlreiche Zwischenformen. 




Eine Rückkehr zum vollstationären Arbeiten (erste Landmark) dürfte in den wenigsten Organisationen eine Option sein – zu offensichtlich sind die Vorteile des mobilen Arbeitens gerade für Mitarbeitende mit Kindern oder pflegebedürften Angehörigen. In Zeiten des Fachkräftemangels wird es sich kaum eine Organisation leisten können, diese Interessen zu ignorieren. Viele Betriebe werden es daher zumindest als Ausnahme ermöglichen, dass Menschen auch von zu Hause arbeiten können (zweite Landmarke).


Einen ganzen Schritt weiter geht die dritte Landmarke: hier stehen die beiden Formen stationär und mobil gleichberechtigt nebeneinander. Niemand muss sich für mobiles Arbeiten rechtfertigen, und es gibt ein gut funktionierendes System, um das mobile und das stationäre Arbeiten miteinander zu verzahnen.

 

Die vierte Landmarke steht für den Abschied von der physikalischen Co-Präsenz bei der Arbeit, die Menschen arbeiten nur noch mobil. Da die meisten sich dafür zu Hause feste Arbeitsplätze einrichten, spricht man hier auch vom remote-Modus der Zusammenarbeit. In der Pandemie hat sich gezeigt, dass ein Arbeiten „full remote“ oft schneller zu realisieren ist, als gedacht. Gleichzeitig haben sich auch die Schwierigkeiten dieser Arbeitsform gezeigt, so dass sie nur selten als Dauerlösung in Betracht gezogen wird.


Die meisten Organisationen müssen sich daher entscheiden, ob sie sich an der zweiten oder der dritten Landmarke orientieren. Für die Landmarke „mobiles Arbeiten als Ausnahme“ spricht, dass dafür die gewohnten Kommunikationswege und Prozesse nur wenig verändert werden müssen. Allerdings ist zu prüfen, ob es für die Arbeitszufriedenheit im Team ausreicht, wenn das mobile als das „uneigentliche“ Arbeiten verstanden wird und ob die Reibungsverluste, die aus der Tätigkeit in einem „Ausnahmemodus“ entstehen, in einem vertretbaren Rahmen bleiben.


Wenn dies nicht zutrifft, gilt es, sich auf den Weg zur dritten Landmarke zu machen, dem integrierten Mix von stationärem und mobilen Arbeiten. Hier stehen beide Arbeitsformen gleichberechtigt nebeneinander, was u. a. bedeutet, dass das mobile Arbeiten nicht einfach nur als eine neue Form hinzubekommt, sondern auch das stationäre Arbeiten an die neuen Realitäten angepasst wird. Dieses Mixen braucht in der Regel einen größeren Veränderungsprozess, der sowohl vom Team als auch von der Leitung Energie und Aufmerksamkeit fordert.



Zunächst gilt es zu klären, was in der eigenen Organisation nur in der direkten face-to-face-Begegnung gelingen kann und wie viel mobiles Arbeiten gewünscht wird. Wichtig ist dabei, die unterschiedlichen Perspektiven und Bedürfnisse von Mitarbeitenden und Leitungskräften besprech- und bearbeitbar zu machen.


Wenn so ein Bild entsteht vom passenden Mix von mobilen Arbeiten und Zeiten der Präsenz, ist zu klären, was es braucht, damit dieser Mix in der Praxis gut funktionieren kann. Dafür müssen auf vier Ebenen die Voraussetzungen geschaffen werden. 



1. Technik

Die Technik für mobiles Arbeiten und für hybride Zusammenkünfte ist vorhanden, funktioniert gut und alle Mitarbeitenden sind so geschult, dass ihnen der Umgang mit der Technik leichtfällt.

 

2. Kommunikationsgestaltung

Alle Mitarbeitende konnten in Fortbildungen ein Verständnis dafür entwickeln, dass die drei Arbeitsformen „präsenz – mobil – hybrid“ unterschiedliche Anforderungen an das Kommunikationsverhalten stellen, und sie sind in der Lage, sich auf alle drei Situationen einzustellen. Darüber hinaus wissen die Leitungskräfte, welche spezifischen Anforderungen an die Leitungsebene sich aus dem Mix der Arbeitsformen ergeben.

 

3. Prozessgestaltung

Die Prozesse in der Organisation sind so gestaltet, dass sie auch im mobilen Arbeiten erledigt werden können bzw. für die Prozesse, die nur vor Ort bearbeitet werden können, gibt es Pläne, wie oft und von wem sie erledigt werden.

 

4. Selbstorganisation und Selbstfürsorge

Die Mitarbeitenden haben die Fähigkeiten erworben, die es braucht, um sich in ständig wechselnden Arbeitssituationen gut zu organisieren und dabei auch ihre eigene Belastbarkeitsgrenze im Auge zu behalten.

 

Wer sich auf das Abenteuer des Mixens einlässt, bleibt in einem dauerhaften Prozess. Immer wieder neu gilt es, das Verhältnis der unterschiedlichen Arbeitsformen auszutarieren, und dabei sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für ein gutes Arbeiten im Mix gegeben sind. Was zunächst nach unnötiger Anstrengung und Ressourcenvergeudung aussieht, ist bei näherer Betrachtung der Garant dafür, dass eine Organisation in einem stetigen Reflexions- und Veränderungsfluss bleibt und sich damit auch den ständig wechselnden Anforderungen ihrer Umwelt anpassen kann.


Dr. Christopher Scholtz, Institutsleitung und Leitung Fachstelle Organisationsentwicklung



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